Deutschland ist WELTMEISTER
Eskalation in Luxemburg
von Claudio Orlik
Unter dem Hashtag #yellowsocksforgold ballerte sich die deutsche Crossgolf-Nationalmannschaft beim zweiten World Urban Golf Cup, der am ersten Oktober-Samstag auf dem ehemaligen Industriegelände Belval in der luxemburgischen Stadt Esch-sur-Alzette stattfand, souverän auf das güldene Treppchen.
Wahnsinn, was für eine knappe Kiste! Nachdem das deutsche Team bei der ersten Weltmeisterschaft in Paris der L’Équipe de France um einen Punkt unterlag, entthronte die neu formierte Mannschaft vier Jahre später ihren stärksten Gegner und holte sich mit 251 : 253 Schlägen den wieder einmal knappen aber lang ersehnten Titel aller Titel. Doch der Reihe nach…
Was vor neun Jahren mit einem Freundschaftsspiel der beiden Nachbarstaaten auf französischem Boden begann und mit dem Auswärtssieg für Deutschland endete, entwickelte sich über die Jahre hinweg zu einem immer größer werdenden Event. 2014 fand im Kölner Rheinauhafen der erste offizielle European Urban Golf Cup (EUGC) statt, bei dem sich Deutschland gegen acht Nationen den zweiten Stern sichern konnte. Nur ein Jahr später war das Urban Golf Collective geboren, welches zunächst die drei aufeinander folgenden Europameisterschaften in London, Amsterdam und Prag koordinierte. 2018 konnte das Urban Golf Collective dann das Indische Slum Golf Team für sich gewinnen und somit die erste Weltmeisterschaft (WUGC) unter dem Motto „GRAB THEM BY THE BALLS“ in Paris austragen.
Seit 2019 werden der EUGC und der WUGC im jährlichen Wechsel auf europäischem Boden ausgetragen. Zuletzt in Brüssel, worüber wir hier berichteten. Aachen und Winterthur standen schon als Austragungsorte für den nächsten WUGC bzw. EUGC fest und waren bereits mitten in der jeweiligen Planungsphase, mussten ihre Turniere aber pandemiebedingt absagen. Eine bittere Pille für die Organisatoren und allen Qualifikanten, die sich neu behaupten mussten.
Also erhielten die Luxemburger die große Chance, mit dem zweiten WUGC ein unvergessliches Event auf die Beine zu stellen, das sie mit Bravour auch gemeistert hatten, Wer schon mal in Belval war und sich ansatzweise vorstellen kann was Crossgolf ist und wie diese Sportart funktioniert, weiß, dass hier das Paradies eines jeden urbanen Golfspielers ist. Inmitten der beiden als Industrie-Denkmal geschützten Hochöfen und den Überbleibseln des restlichen Stahlwerkes konnten sich die Spieler auch rund um die neuen Gewerbeflächen, einer Universität, Handels- und Freizeiteinrichtungen, sowie privatem Wohnraum und vielen künstlichen Wasserhindernissen ganz nach ihrem Gusto austoben.
Der Weg dorthin war/ist denkbar einfach: man muss in Deutschland mindestens zwei von drei Qualifikationsturnieren mitspielen, welche die Interessensgemeinschaft Crossgolf Deutschland bundesweit koordiniert und bündelt. Wenn man dann auch noch gut abliefert und sich gegen Wettbewerber aus der ganzen Republik durchsetzt, ist der Startplatz in der Nationalsechs (WUGC) bzw. der Nationalzwölf (EUGC) gesichert. Einzige Voraussetzung: man muss im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sein. Ansonsten können ausnahmslos alle Interessenten an diesen Turnieren teilnehmen.
Für die diesjährige Weltmeisterschaft konnten sich mit Norman Dick und Michael Pauels (GER 1), sowie Maximilian Jaskulski und Thomas Sueß (GER 2) gleich vier Spieler aus Aachen nach drei Turnieren (Elbe Crossgolf Cup; Ice Tea Cup; Krosser Karl) qualifizieren. GolfSTR Autor Claudio Orlik aus Stuttgart und Sven Jacob aus Plauen bildeten das dritte Team (GER 3). Mit den beiden Teammanagern Rastislav Dominik aus Stuttgart und Thomas Papke aus Berlin wurde das Team Germany Crossgolf komplettiert. Da nur ein Tag später auf dem gleichen Parkour das dritte Qualifikationsturnier für den EUGC ’23 in Budapest ausgetragen wurde, hatte die deutsche Mannschaft auch die größte Fanbase um sich herum, die sie lautstark anfeuerte, bejubelte und auch mal Trost spendete. Den wohl süßesten Fan auf vier Pfoten mit eingeschlossen.
Die Auslosung zur Flight-Einteilung des WUGC fand am Vorabend in einer zum Event passenden Beer & Burger Bar auf dem Spielgelände statt. Team GER 3 setzte sich als erstes mit je zwei Spielern aus Ungarn und Dänemark zusammen, während Team GER 2 mit zwei Schweizern und zwei Iren ihre direkten Gegner hatten. Team GER 1 aber hatte DAS große Los gezogen: den direkten Fight mit Team Frankreich 1 und zwei Spielern aus Dänemark. Deutschlands Beste hatten vermutlich den Lauf ihres Lebens, denn am Ende hatten sie ihrem ärgsten Konkurrenten in den drei Spielmodi Scramble, Greensome und Individual (je vier Bahnen) satte 30 Schläge abgenommen. Defensives Spiel gepaart mit Passgenauigkeit wie aus dem Bilderbuch und exzellenter Trefferquote summierten sich zu lediglich 117 Schlägen und somit letztendlich auch zum Erfolg, während ihre französischen Gegner immer aggressiver spielten und dadurch ihren Score nach oben trieben.
Das zweite deutsche Team benötigte 134 Schläge und war damit ebenfalls in der Wertung. Da einige Länder aus unterschiedlichen Gründen keine sechs Spieler stellen konnten, wurde das Ergebnis vom dritten Team (151 Schläge) gestrichen. Aber auch bei allen anderen Nationen, die vollständig angetreten sind. An einen klaren Sieg war also noch lange nicht zu denken, da bis zur letzten Minute keiner wusste wie die anderen Nationalmannschaften abgeschnitten hatten. Man schielte bewusst in Richtung Frankreich, aber auch die im ständig oberen Drittel spielenden Schweizer und Tschechen sammelten ihre Scores im Stillen, was bei allen für latente Nervosität sorgte. Die Mitfavoriten Ungarn, Luxemburg und Indien lockerten die Situation nicht merklich auf.
Gegen 20:30 Uhr war es dann endlich soweit und die Siegerehrung begann. Der Lärmpegel senkte sich, die Anspannung wuchs von Platzierung zu Platzierung und als Gastgeber Luxemburg den vierten Platz belegte, war zu dem Zeitpunkt klar, dass den Deutschen auch das Schweizer Golf Team noch einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen konnte. Ab jetzt war es mucksmäuschenstill. Das deutsche Team mit all seinen Fans und Supportern hatte nur die 251 Schläge im Kopf und konnte noch einmal aufatmen, als die Schweizer mit Lichthupe im Rückspiegel zum dritten Platz aufgerufen wurden. Also wieder alles beim Alten. Gibt es einen Thronwechsel oder ist Frankreich auf dem Weg zum Hattrick? Die Spannung war spürbar, doch als der Titelverteidiger Frankreich mit 253 Schlägen aufgerufen wurde, gab es kein Halten mehr.
Ab hier gibt es nur noch folgendes zu sagen: Herzlichen Glückwunsch an unsere Treppennachbarn und ganz besonders an unsere Goldjungs! Das „Team Germany Crossgolf“ zieht mit drei Europameister- und einem Weltmeistertitel mit Frankreich gleich und darf sich fortan vier Sterne auf die Brust pflastern. WIR SIND WELTMEISTER!!!
Die weiteren Ergebnisse (©Urban Golf Collective):
Eindrücke vom WUGC 2022:
100% Trefferquote – © Benjamin Bent
Interviews:
REGIO TV
https://www.regio-tv.de/mediathek/video/weltmeister-zurueck-aus-luxemburg/
RADIO GOLFSCHAU – ein Podcast über Golf und die Welt
HART ABER FAIRWAY – Golf-Podcast
Über den Autor
Claudio Orlik ist Autor und Redakteur des Golf-Magazins GolfSTR, Gründungsmitglied der 0711 Golf Crew, Vorstand der X-Golf Brothers in Baden-Württemberg, amtierender Welt- und Vizeeuropameister im Crossgolf und, man munkelt, auch glücklich verheiratet. 😉